Gestaltung
11. November 2011
Prof. Heiner Blum
Diplom Theorie
Prof. Dr. Hans Zitko
Aneinandergereihte Jalousien vor der Küste bewegen sich im Rhythmus des Windes. Abwechselnd öffnen und verschließen die einzelnen Lamellen den Blick auf das Meer. Ein Banner aus Mash verdeckt räumlich das filmisch beobachtete Wechselspiel dieser landschaftlichen Inszenierung und fordert gleichzeitig die Bewegung des Betrachtenden, um die installative Situation in ihrer Ganzheit zu erfassen. So verweist die mediale Installation auf das Meer als paradoxes Sinnbild, welches immer wieder zwischen gegensätzlichen Vorstellungen und Ideen changiert: Das Meer bewegt sich, aber es bewegt sich nie fort, bietet Schutz und birgt Gefahr, ist messbar und dennoch unkontrollierbar, ist Oberfläche und Tiefe, Freiheit und Grenze.
Text: Susanne Mierzwiak
Prof. Blum Heimer
Die Verortung des eigenen Selbst im geographischen Raum, aber auch Fragestellungen an die uns umgebenden Orte sind Ausgangspunkt der künstlerischen Beschäftigung Lisa Hopfs. Mittels GPS, Höhenmessgerät, Handpeilkompass und analoger Schwarz-Weiß-Fotografie entstanden unterschiedliche Werkgruppen, die sich mit dem Wechselspiel zwischen Geoinformation und der persönlichen Erinnerung, mit allgemeingültigen, wie individuellen Bezugssystemen auseinandersetzen.
Ein solches, sich zwischen Subjektivität und Objektivität bewegendes Bezugssystem ist das Konzept des Horizonts. In seiner Wortbedeutung, basierend auf dem Altgriechischen ὁρίζω – begrenzen, festsetzen, definieren –, bezeichnet der Begriff einen fixierten Endpunkt. Es ist jedoch keine natürliche Grenze, vielmehr ein Produkt der eigenen Wahrnehmung. In der Betrachtung der Landschaft bietet der Horizont einen Orientierungspunkt; doch wie man sich in der Bewegung laufend neu verortet, ist auch der Horizont nur eine temporär gezogene Linie. Obgleich ihrer laufenden Revision erhebt die subjektive Entscheidung einen allgemeingültigen Anspruch auf räumliche Orientierung.
Diese Dichotomie überträgt Lisa Hopf in die Metalldrucke. Sie basieren auf Fotografien von Landschaften, Küstenstreifen und immer wieder Bergformationen, entstanden auf den zahlreichen Spaziergängen in der eigenen Heimat oder auf unternommenen Reisen. Die Aufnahmen wurden entwickelt, eingescannt und anschließend auf Aluminium gedruckt. Die schlichten Fotografien enthalten zugleich ein bestimmtes Potential. Sie sind Ausdruck der Bewegung in der Landschaft. Denn gerade an jenen Stellen, an denen der individuell gezogenen Horizont zutragen kommt, befindet sich ein Bruch – ein Knick, der die Aufnahme in ein Oben und Unten teilt. Der subjektiven Empfindung wird eine objektiv wahrnehmbare Referenz gegeben. Jedoch ist es nur eine von vielen möglichen Linien und dadurch Ausdruck des Wunsches des Menschen nach persönlicher Verortung im Raum.
Die Stellung der Kompassrose zum Zeitpunkt der fotografischen Aufnahme ist Gegenstand einer weiteren Werkreihe. Die wissenschaftlich messbaren Daten des eigenen Standpunktes im Raum werden mittels des Falzes auf die Fotografien übertragen. Das persönliche Erleben in der Landschaft beginnt mit dem objektiven Bezugssystem der Erde zu verschwimmen. Die individuellen Eindrücke und Erinnerungen weichen konkret bestimmbaren Daten. Die unterschiedlichen Perspektiven auf der Wanderung in der Natur werden in der Fotografie mit anschließendem Druck auf Metall in ein zweidimensionales Objekt gebannt: das vormalige Empfinden räumlicher Verhältnisse einer bestimmten Ansicht unterworfen. Der Knick im Metall verwandelt das Abbild dagegen in einen Bildkörper, ein scheinbar verlorener Winkel wird wieder in die Landschaft projiziert. Dieser bleibt jedoch faktisch eine Linie. Ähnlich des Horizontes ist sie bestimmt von einer individuellen Geste: der Aufzeichnung und anschließenden Fixierung der Stellung der Kompassnadel zum Zeitpunkt des eigenen Erlebens. Die Bewegung in der Landschaft verbindet sich mit der im Ausstellungsraum. Die Daten der Landschaftsbilder werden zu unseren eigenen Daten. Denn wie man sich unerlässlich im Außenraum verorten muss, so auch der Betrachter vor den Werken. Das Erleben wird geleitet von dieser Synthese aus subjektivem Empfinden und visualisierten Geoinformationen. Das Selbst muss sich hierzu positionieren: zu den anderen im Raum befindlichen Objekten, aber auch zu den einzelnen Motiven in Schwarz und Weiß.
Im Druck auf Aluminium sind die dunklen Partien des ursprünglichen Fotonegativs schwarz geworden, hellere haben dagegen das matte Grau des Metalls aufgenommen. An manchen Stellen verlieren sich die präzisen Umrisse in verschwommene, fast nebelartige Strukturen – die Körnung der analogen Fotografie überträgt sich auf die glatte Oberfläche. Reflektionen der Sonne auf der Linse, Stellen, die im Druck keinerlei Pigment aufzunehmen vermochten, scheinen metallisch glänzend hervor. Das Material hinter dem Abbild scheint hervor. Es sind Glanzstellen, die sich deutlich von den grau-schwarzen Partien der Landschaft abheben. In dieser Abstraktion – als nicht beschriebene Leerstelle ohne Bildinformation – findet sich zugleich die Nahtstelle zwischen fotografischer Aufnahme und Trägermaterial: Punkte, in denen sich die beiden Elemente verbinden, sich gegenseitig ergänzen. Zugleich spiegelt sich das Selbst in diesen Reflektionen, der Betrachter wird vom Material aufgenommen, ein Teil des Bildes. Die Grenze zwischen Außen und Innen verschwimmt.
Dieses beidseitige Bedingen, die Bewegung als äußerliche Positionsveränderung, aber auch als innerlicher Prozess, das objektive Speichern und zugleich subjektive Wahrnehmen der Landschaft ist Teil der künstlerischen Arbeiten Lisa Hopfs. Ihre Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen dem eigenen Körper zu dem ihn umgebenden Raum ist auch eine Reflexion über ihre Beliebigkeit in der Bewegung. Denn ein Wechsel des eigenen Standortes hinterfragt zugleich das nur kurz zuvor definierte Bezugssystem und verändert die messbaren, wie verborgenen Körper-Raum-Bezüge.
Text: Lukas Engert
Prof. Heiner Blum
Mein Kinderzimmer war mein Schutzraum. Irgendwann kam auch für mich die Zeit meine Sicherheitszone zu verlassen. Meine Weiterentwicklung hat 600km entfernt stattgefunden. In meinem alten Zimmer hat sich nichts verändert. Es ist wie eine Zeitkapsel die einfach stehen geblieben ist. Eine Festplatte, die seitdem nicht mehr benutzt wurde. Gespräche mit meiner Heimat haben über Skype stattgefunden. Das Bild der Liveübertragung der Unterhaltung wurde mit der Zeit zu unserem realen Gegenüber.
Warum hat sich seitdem in meinem Kinderzimmer nichts verändert? Weshalb fühle ich mich in diesem Raum jedesmal als wäre ich wieder 18? Sind es die Gegenstände? Oder ist es die Entwicklung, die diesem Zimmer fehlt? Ist es möglich, die letzten Jahre in dieses Zimmer, und somit auch auf meine Backupfestplatte, zu bringen?
Ich bat meine Mutter 2 Wochen lang, 2 mal am Tag unter Beobachtung in jenes Zimmer. Dort musste sie Umschläge öffnen, welche mit Gegenstände bestückt waren, die für mein Loslösen und meine Entwicklung stehen. Meine Mutter hatte keine konkrete Aufgabe, was sie mit den Objekten machen sollte. Sie selbst konnte ent-scheiden wie und ob sie darauf reagiert.